nachdem ich vom FreeDOS-Projekt (www.freedos.org) erfahren hatte, hat mich sofort die Neugier gepackt und ich wollte es mal ausprobieren.
Für alle, die das FreeDOS-Projekt nicht kennen: Es geht darum, ein DOS zu programmieren, welches irgendwann möglichst 100% zu MS-DOS kompatibel sein soll, dabei aber im Gegensatz zu MS-DOS Open Source sein soll.
Heute war es soweit... Ich habe sicherheitshalber ein Backup von der Festplatte in meiner DOS-Kiste gemacht und dann ging's los.
Der Testrechner hat folgende Komponenten
-Mainboard ASUS TX97-E
-Pentium 200 MMX
-96 MB RAM
-HDD Quantum Fireball 2,1 GB
-CD-ROM BTC 16x
-Floppy 3,5" 1,44 MB
-PCI-Grafik Elsa Winner T2D (S3 Trio V64+ Chipsatz) mit 2 MB RAM
-PCI-Netzwerkkarte Realtek 8139
-Soundblaster 16 Vibra (CT4170)
FreeDOS gibt es in verschiedenen Distributionen; ich habe die 11 MB große CD-Version genommen, welche man als bootfähige ISO-Datei auf der Projekt-Seite herunterladen kann (Bringt natürlich nur dann etwas, wenn Euer Rechner von CD booten kann, was bei Maschinen aus der DOS-Ära nicht unbedingt die Regel ist). Die Version ist beta 9.
Die Freedos-CD bootet in ein grafisches Menü in dem man Sachen wie Länder-Code, Installationsverzeichnis etc. einstellen kann. Die Installation selbst hat bei mir einige Minuten gedauert.
Als das Setup fertig war, kam die Überraschung: FreeDOS kann mit MS-DOS friedlich koexistieren. Beim Booten wird ein Menü angezeigt, in welchem man auswählen kann, ob man io.sys und msdos.sys von MS-DOS oder die kernel.sys von FreeDOS booten möchte.
Die Startdateien von MS-DOS (CONFIG.SYS und AUTOEXEC.BAT) bleiben dabei unangetastet. Die CONFIG.SYS von FreeDOS heißt FDCONFIG.SYS und liegt im Stammverzeichnis (C:\), während die AUTOEXEC.BAT FDAUTO.BAT heißt und im FDOS-Verzeichnis liegt.
Soweit ich die FAQ verstehe,kann man die Konfiguration allerdings auch so ändern, daß FreeDOS die reguläre CONFIG.SYS und AUTOEXEC.BAT benutzt. Könnte sinnvoll sein, wenn Anwendungsprogramme unbedingt die Startdateien analysieren/editieren wollen, aber macht natürlich die Koexistenz mit MS-DOS unmöglich.
Standardmäßig erstellt FDOS ein Multiboot-Menü, welches den User verschiedene Speicher- und Treiberkonfigurationen auswählen läßt.
Der Einfachheit halber habe ich diese Multiboot-Konfiguration erst einmal entfernt und die Dateien so umgeschrieben, daß das (für mich) nötige sofort und ohne Rückfrage geladen wird.
Gucken wir mal, was in den Stardateien so drinsteht:
HIMEM.SYS und EMM386 gibt es auch in einer FREEDOS-Variante, ebenfalls mitgeliefert wird der CuteMouse-Treiber (ein sehr kleiner Treiber für serielle- und PS/2-Mäuse, der auch unter MS-DOS gut funktioniert).
MSCDEX.EXE heißt bei FreeDOS SHSUCDX und sollte ähnlich funktionieren (so ganz habe ich noch nicht raus, wie... egal, CD-ROM brauche ich erstmal nicht).
Den KEYB-Befehl für eine deutsche Tastaturbelegung findet man unter FDOS ebenfalls.
Soweit so gut.
Um Sound zu haben, habe ich dann noch die DEVICE-Zeile für das CTCM-Tool (Initialisierungstool für die Soundblaster) aus der CONFIG.SYS in die FDCONFIG.SYS übetrtragen und die SET BLASTER-Variable in der fdauto.bat auf die richtigen Werte für meine Soundblaster 16 geändert.
Dann habe ich rebootet:
Deutsche Tastatur funktioniert, Maus funktioniert, das Soundblaster-Tool intitialisiert die Karte korrekt.
MEM (auch diesen Befehl gibt es) zeigt ohne irgendwelche Optimierungen in den Startdateien 611 kb konventionellen Speicher an. Nicht schlecht! Das sollte für so ziemlich jedes DOS-Spiel reichen.
Apropos Spiele... Laufen die wohl vernünftig mit FreeDOS? Und dann auch noch mit Sound? Probieren wir's aus.
Stichprobenartig habe ich folgende Spiele angespielt:
Raptor - Call Of The Shadows
Silverball
Jazz Jackrabbit
Commander Keen 4
Tyrian 2000
Dune II - The Battle For Arrakis
Sim City 2000
Transport Tycoon
Shadow Warrior (Duke 3D Engine)
Hexen (Doom Engine)
Wolfenstein 3D
Street Rod 1
Alle oben genannten Spiele liefen ohne Probleme (allerdings habe ich jedes Spiel nur kurz gestartet)
Lediglich 4D Sports Driving meldete "Packed File Corrupt", während die zu 99% identische Broderbund-Version "Stunts" lief. Mag daran liegen, daß mein 4DSD gecrackt ist (mittlerweile ist es eh' Abandonware) - unter DOS 6.22 lief es jedenfalls.
Trotzdem muß ich auch hier sagen: NICHT SCHLECHT! Gerade hier hätte ich mehr und offensichtlichere Inkompatibilitäten erwartet.
Ok, probieren wir mal aus, was einige MS-DOS-Tools zu FDOS sagen:
QBASIC läuft
EDIT geht auch ("har har", höre ich alte DOS-Hasen sagen, "Edit ruft ja nur QBASIC.EXE in einem besonderen Modus auf" - Stimmt, ihr habt mich erwischt

Microsoft Antivirus läuft (heute ist das Tool wohl aufgrund seines Alters fast nutzlos... Cool, zumindest hat FDOS keine Viren von Anno 1994 installiert

SMARTDRV scheint auch zu gehen.
Ok, probieren wir was fieses... MEMMAKER. Das Ding bringt den Rechner nach dem Titelbildschirm sofort und kommentarlos zum Absturz. Ok, kein Wunder, wie soll es auch mit den fremden HIMEM und EMM-Treibern was anfangen

Ok, probieren wir mal ein paar andere Anwendungen:
Der F-Prot Virenscanner für DOS läuft ("etwas" sinnvoller als MSAV, da vor ein paar Tagen noch aktualisiert

Der alte PC-Player-Benchmark für DOS läuft auch. Und zwar bis auf die Kommastelle genau so schnell wie unter MS-DOS (Wer kennt sie noch, die gute alte PC-Player...?)
Auch der noch betagtere "3D Bench 2" verrichtet seinen Dienst.
Windows 3.11 habe ich aus Spaß kurz versucht zu starten. Es meckert über den Speichermanager und startet gar nicht erst. War eigentlich von vorn herein klar... Dem FreeDos-FAQ läßt sich entnehmen, daß Windows unter FDOS gar nicht oder mit erheblichen Einschränkungen läuft, was wohl nicht zuletzt an einigen fiesen Tricks liegt, die Microsoft damals eingesetzt hat, damit Windows nicht richtig auf DOS-Clones wie DR-DOS lief

Windows-Kompatibilität hat laut eigener Aussage für die FDOS-Entwickler eine geringe Priorität... Naja, wirklich wichtig ist dieses "Betriebssystem" vermutlich auch nicht mehr

Das soll's erstmal gewesen sein, was meinen Erfahrungsbericht zu FreeDOS angeht.
Wenn ich andere Sachen ausprobiert habe, poste ich es hier hinein.
FAZIT soweit:
Ziemlich erstaunlich, was mit FreeDOS alles geht, und zwar ohne irrsinnige Konfigurations-Klimmzüge. Ich wage aufgrund meiner jetzigen Erfahrungen einfach mal die Prognose, daß FreeDOS gar keine schlechte Alternative für Spiele-Freaks zu sein scheint. Ein Langzeit-Test mit mehr verschiedenen Spielen steht natürlich noch aus!
An die Commodore-Leute, die hier mitlesen: Starcommander hätte ich gerne noch ausprobiert... Leider ist aber mein XA1541-Kabel kaputt gegangen... Kabelbruch oder sowas...
Wenn einer von Euch schon Erfahrungen mit FreeDOS gemacht hat (oder noch machen möchte) und sie mit dem Forum teilen möchte: Nur her damit...

Bevor Ihr es ausprobiert, solltet Ihr allerdings Euren Festplatteninhalt sichern. Bei mir hat alles geklappt und selbst mein DOS 6.22 läßt sich noch problemlos booten, aber auf anderen Rechnern mag das anders aussehen! Immerhin ist FDOS noch im Beta-Stadium...
Gruß,
Stephan