Hui, da habe ich ja was losgetreten :-)
Ich gehe noch einmal auf ein paar Eurer Punkte ein:
Ich denke nicht, daß Deutsch in näherer bis mittlerer Zukunft (50...200 Jahre)
aussterben wird. Oder lernt bei uns irgendwer als Muttersprache Englisch? Ganz im Gegenteil, sehr viele Deutsche sprechen eher ein ziemlich dürftiges Englisch, auch die Generation unter 30. Wie oft muß ich hier lesen
"ich kann die Dokumentation nicht lesen, weil sie auf Englisch ist". Das ist nur einer der vielen Punkte, in denen unser Schulsystem versagt.
Wahrscheinlich kommt gerade daher auch der Reiz von "Denglisch". Je weniger jemand das Englische beherrscht, desto "cooler" findet er "shoppen", "walken", "Beamer" und Co.
Ich würde von mir behaupten, Englisch ganz passabel zu beherrschen und finde diese Mode- und Fantasiebegriffe unnötig bis peinlich.
Einen wichtigen Punkt spricht DOSferatu ja auch an: Jemand mit Englisch als Muttersprache versteht nur "Bahnhof", wenn er Dinge wie
"Handy",
"Beamer",
"trampen",
"Oldtimer" usw. hört. Diese Begriffe gibt's im englischen Sprachraum nämlich nicht, oder sie haben dort zumindest eine andere Bedeutung ("old timer" (englisch): "alter Hase", Oldtimer (deutsch): "vintage/classic car").
Diese Inflation des Phantasie-Englisch führt nicht dazu, daß die Deutsche Sprache ausstirbt, sondern nur dazu, daß wir ein
Kauderwelsch sprechen, das weder der Deutsche noch der Engländer noch richtig versteht.
Ansonsten habt Ihr natürlich recht, daß
nicht die einen Fremdwörter "gut" sind und die andern "böse". Sonst darf ich auch nicht
"Pommes" (Frites) essen (französisch) oder mich wie ein
Tolpatsch (ungarisch) verhalten.
Darum geht's aber auch nicht. Ich denke, letztlich ist das alles eine Frage des
guten Geschmacks und des Gebrauchs von Anglizismen mit
Augenmaß.
Gerade im IT-Bereich ist es natürlich auch schwierig bis unmöglich, alles konsequent einzudeutschen, gerade bei Begriffen, für die es kein gebräuchliches, deutsches Pendant... Synonym... äh... Gegenstück gibt. :-)
"Steuerknüppel",
"Weltnetz",
"Funknetzwerk" und Co. wirken schon fast unfreiwillig komisch.
Und was ist z.B. mit
"Synthesizer",
"Joypad" oder den ganzen Abkürzungen wie
"USB" und
"BIOS"?
Gibt's da überhaupt Entsprechungen, die (und darauf kommt's ja an) überhaupt
von der Mehrzahl der Leute verstanden werden? "ASD" wie "Allgemeine Serielle Datenleitung" versteht jedenfalls kein Mensch und
"seriell" und
"Daten" sind ja wohlgemerkt auch Fremdwörter.
Ärgerlich und lästig ist es aber, wenn unreflektiert mit Begriffen aus dem Englischen oder dummdeutschen Übersetzungen um sich geworfen wird. Kann man
solch ein Geseier (Link) noch ernst nehmen?
Was ist im Übrigen mit
älteren Menschen? Wie soll meine Oma sich zurechtfinden, wenn sie in der Telefonrechnung mit Neologismen wie
"freecall" konfrontiert wird und auf dem Bahnhof die Toilette
"Mr. Clean" und die Information
"Service Point" heißt?
Tja, und was ist mit mir? In meiner Alltagssprache (gerade unter "Geeks") sage ich sicherlich auch häufig Dinge wie
"Leveldesign" oder
"Gameplay". Auch hier im Forum nutze ich solche Begriffe wahrscheinlich häufiger, als ich jetzt gerade glaube.
Ich sehe da aber einen Unterschied zwischen Umgangssprache, informeller Schriftsprache und z.B. einem Eintrag in einem Lexikon.
Die
Umgangssprache ist locker und oft auch spielerisch und man überlegt nicht lange, was man statt "Gameplay" sagen könnte.
An die
informelle Schriftsprache, wie z.B. Forenpostings, stelle ich nur die Anforderung, daß sie gut lesbar (Rechtschreibung, Grammatik, Interpunktion, Formulierung) und präzise sein sollte.
"Und dann ist das Ding abgeschmiert..." ist eine schlechte Fehlerbeschreibung, aber der Begriff "Leveldesign" schadet kaum, weil ihn hier in der Zielgruppe fast jeder versteht.
Was anderes ist aber die
formelle Schriftsprache, also z.B. ein Artikel in der Wikipedia, die ja ein Nachschlagewerk sein möchte. Dort sollte der Anspruch sein, korrektes, geschmackssicheres Deutsch abzuliefern und Artikel zu schreiben, die auch von fachfremdem Publikum verstanden werden, ohne daß der Leser erst fünf Verweisen auf andere Artikel folgen muß.
Darauf zielt meine Kritik ab:
"Technologie" ist die
Lehre von der Technik. In dem Kontext ist das also reines Werbe- und Dummdeutsch, welches den Text nicht besser oder präziser sondern nur "geschwätziger" macht.
Mag ja sein, daß solche Blähwörter mit pseudointellektuellem Anstrich irgendwen beeindrucken, aber ich denke da immer nur "Dumm, wenn man Begriffe aus dem Englischen nicht richtig übersetzen kann..." ("technology" != "Technologie"; typischer "false friend"!).
Bei
"Arcade",
"Gameplay" und Co. frage ich mich bei solchen Gelegenheiten immer "würden meine Eltern das jetzt verstehen (oder meine Oma)?". Gehören Modebegriffe wie
"Teenager" in ein Lexikon? Benutzt wirklich jemand außerhalb des IT-Betriebs das Wort
"kompilieren" (im Sinne von "zusammenstellen")?
Klar, muß man dabei
Kompromisse eingehen. Aber wenn die Antwort zu oft "nein" lautet, dann wird es Zeit, den Text zu überarbeiten.
Irgendwann sind einfach die
Grenzen der Verständlichkeit und des
guten Geschmacks überschritten und man muß sich zumindest fragen, welche Zielgruppe man ansprechen möchte, zumindest solange noch nicht alle contemporary sind und das Future-Denken haben :-)
Der pubertierende
Bravo-Leser ist dabei jedenfalls eher nicht mein Maßstab...
Ich denke, viele aufmerksame und kritische Leser haben auch durchaus ein Gespür dafür, ob jemand ein Fremdwort oder eine Abkürzung benutzt, weil es sinnvoll oder passend ist oder ob der Autor sich lediglich bei einer bestimmten Zielgruppe anbiedern und weltmännisch und intellektuell wirken will.
Auch wenn niemand perfekt ist, lohnt es sicher, ab und zu unseren
Gebrauch von Sprache zu überdenken bevor man unreflektiert jeden Unsinn nachplappert.
Ich glaube, daß unsere Sprache unser Denken prägt und unser Denken unser Handeln.
Kleine Beobachtung am Rande: Komischerweise scheint die Sprache immer mehr zu verarmen, obwohl Lesen und Schreiben heute vielleicht wichtiger ist als jemals zuvor. Im Internet bin ich ja weitgehend auf Schriftsprache angewiesen.
Gerade die jüngere Generation scheint gar nicht zu bemerken,
daß man nur über Dinge diskutieren kann, die man auch ausdrücken und beschreiben kann.
In einem Zeitalter, in dem schon die Hirne von Kleinkindern mit völlig ungeeigneten, weil viel zu hektischen und nervenaufreibenden Fernsehsendungen zu Pudding verarbeitet werden, darf man wohl nicht mehr erwarten, daß Leute noch die Geduld haben, sich länger als 10 Minuten mit einer Sache zu beschäftigen.
Die vielen wirklich schlechten Anfragen und Fehlerbeschreibungen, die z.B. auch hier gepostet werden, sind dafür ein gutes Beispiel. Im Grunde sind gewisse Threads von vornherein zum Scheitern verurteilt, auch wenn meist mehrere Leute mit (falsch verstandener?) Hilfsbereitschaft vorher noch ihre Zeit damit verschwenden.
Wahrscheinlich würde man Leuten wie "dosfann" auf lange Sicht den größeren Gefallen tun, wenn man freundlich, aber bestimmt darauf hinwiese, daß man ihnen erst hilft, wenn sie vernünftige Fragen stellen.
Mit kulturpessimistischem Gruß,
Stephan