Wie immer keine neuen Erkenntnisse von mir zu dem Thema, nur rein subjektiv Erlebtes
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Ende der 80er/ Anfang der 90er gehörte ich zu denjenigen, die keinesfalls dem Marketing von Intel auf den Leim gehen wollten. Ich stand daher vehement auf dem Standpunkt, dass ein 286er die sinnvollere Wahl ist als ein 386sx, weil regelmäßig 386er-Software ohnehin mehr Power benötigt, als ein 386sx16 mit sich bringt. Und dass man lieber einen 286er als ein gleich getakteten 386sx erwerben sollte, stand ja auch in jeder "Fach-"Zeitschrift (DOS International, Chip, PC Professionell und Higscreen Highlights - das waren die Blätter, die damals im Bekanntenkreis erworben wurden und die ich als Knirps alle im Folgemonat dann lesen durfte).
Im Grunde stimmt das auch: Meiner subjektiven Erfahrung nach ist ein 386sx16 eher nur so schnell wie ein 286-12 und ein 386sx25 eher beim 286-16. Außerdem dürfte es richtig sein, dass schon die frühen 386er-Games (Wing Commander, Ultima Underworld, Doom, Comanche etc.) zu aufwendig für einen 386sx16 oder schneller waren. Auch wenn ich Youtube-Videos über Wolfenstein 3D auf 286er (gleich ob 286-10 oder der 286-16 von LoWang87) anschaue, finde ich, dass die flüssiger ablaufen, als auf meinem 386sx16 (mit wd90c11 Grafik).
Trotzdem würde ich heute meinen 386sx16 niemals gegen einen 286 (gleich, welcher Mhz-Zahl) tauschen wollen:
- der 16-bit pmode des 286 soll wohl reichlich verbugt gewesen sein. Zumindest hatte ich irgendwo im Netz von einen Entwickler gelesen, dass er damals dauernd mit der Hotline von Intel verbunden war, um Varianten des Verhaltens des 286 im pmode im Vergleich zum Handbuch abzuklären. Ich kann die Richtigkeit dieser Behauptung natürlich nicht einschätzen. Es deckt sich aber zumindest mit der README.TXT von Borland zu Turbo Pascal 7.0. Der große Vorteil von Turbo Pascal 7.0 ist u.a., dass die IDE vollkommen im 16-bit pmode läuft und man als Programmierer deswegen innerhalb der Entwicklungsumgebung die vollen 640k frei hat, als ob die Entwicklungsumgebung gar nicht vorhanden wäre. Borland schreibt in dieser README meiner Erinnerung nach, dass auf einem 286er die Initialisierung des 16-bit pmode-extenders nicht garantiert werden kann und dieser erst ab einem 386 fehlerfrei läuft, obwohl der 16bit pmode-extender von Borland ausschließlich 286er - Anforderungen hat. Allein um Turbo Pascal 7.0 in vollem Umfang nutzen zu können, würde ich keinen 286er mehr haben wollen.
- Es ist zwar richtig, dass viele Programme, die 386er-Features (z.B. die 32bit-Register oder gar ein 32bit pmode) nutzen, mehr Rechenpower brauchen, als sie typische 386sx-Systeme bieten. Das bedeutet natürlich nicht, dass es solche Software nicht gibt. Meine persönliche Empfehlung, um einen 386sx16 mit schneller VGA einmal auszunutzen, ist der Inertia Player oder das Demo "1st Infection" von Prodatron (z.B. hier auf seiner Homepage:
http://www.prodatron.net/nfactor.htm).
- Wenn man selber rum-programmiert, dann sind die 32bit-Register eine erhebliche Arbeitserleichterung. Ich denke da nur an Fixkomma-Berechnungen (=Rechnen quasi mit ganzen Cent-Beträgen anstelle von EURO-Beträgen mit Komma), wie sie z.B. gerade auch der Inertia Player nutzt.
- Auch kommt EMS aus meiner Sicht mittels Treibern wie emm386.sys zu neuen Blüten. Als Hardware-Lösung ist meiner Erfahrung nach EMS quälend langsam. Die Alternative XMS ist wegen der Umkopier-Orgien noch langsamer. Als Software-Lösung über emm386 etc. ist der Zugriff auf das simulierte EMS aber brauchbar schnell. Nicht umsonst dürften Future Crew bei Sachen wie Second Reality 386-real-mode-code mit EMS Speicher kombiniert haben, obwohl es aus rein technischer Sicht erst einmal ein Unding darstellt, "modernen" 386-Code mit einer Speichertechnologie für den 8088 zu kombinieren.
- Schließlich ermöglicht der 386sx auch den Flat/4G Real Mode (auch "Unreal Mode"), der für Hobby-Programme für den Eigenbedarf auch einen unkomplizierten Zugriff auf das XMS erlaubt. Auch das kann die Entwicklung von Hobby-Programmen, die einmal die 640k-Grenze sprengen, erheblich vereinfachen.
Die Liste der Vorteile des 386sx lässt sich noch weiter fortführen (z.B. erweiterte Debugging - Fähigkeiten des 386). Für mich jedenfalls, der ich intellektuell auf 16bit-Niveau stecken geblieben bin, der zugleich aber einige moderne Features des 386 (32bit Register, besserer Zugriff auf mehr als 640k Speicher etc.) nicht mehr missen möchte, ist daher ein 386sx immer einem 286 vorzuziehen.
Hinzu kommt für mich noch ein ökonomischer Gedanke: Möchte man die 32bit Power eines 386dx voll ausnutzen, muss man alles auf 32bit-Werte ausrichten. Das kann zu extremer Speicherverschwendung führen. Benötige ich beispielsweise Variablen zur Erfassung von Bildschirmkoordinaten im LowRes (320x200), dann genügt meist ein Wertebereich von -512 bis +512 zur Erfassung (also 10 bit). Das passt alles sehr gut in 16bit, zumal das entsprechende Speicheroffset (also das Produkt aus y- und x-Koordinate) innerhalb von 64kb liegt, also ebenfalls einen 16bit-Wert ergibt. Dazu kommt noch, dass das ganze DOS-Biotop meist im 16bit Bereich liegt. Bildschirmpunkte benötigen nur 8bit (bei 256 Farben). Viele gute Grafikkarten auch als VLB-Version sind nur 16bitter (z.B. CL GD542x). Soundkarten arbeiten in der Regel mit 8bit-Sounddaten. 32bit macht aus meiner Sicht überhaupt erst beginnend mit dem 486dx2-66 und entsprechenden Karten ansatzweise Sinn.
Mein tl;dr: Je älter ich werde, desto mehr schätze ich 32/16bit Zwitter-Systeme wie den 386sx.
FGB hat geschrieben:Nun ja, intern rechnet der SX ja schon 32-bittig, nach der externen Anbindung hat doch niemand gefragt, oder?
Von daher sehe ich die Beschriftung als zutreffend an. Aber wer weiß, ob es überhaupt ein Originalsticker auf dem Gehäuse ist, der auch zum Innenleben passt.
Meine liebsten "SX" Setups sind folgende:
Das Alaris Leopard Motherboard hat einen IBM Prozessor mit 386SX Pinout. 66MHz, 16KB on-chip Cache. Performance zwischen 486DX/40 und DX2/50 - das Teil sprengt scheinbar sämtliche Limitierungen der Architektur..
Zum anderen habe ich ein reinrassiges SX-Motherboard mit OPTi 291 Chipsatz und 64KB Cache, zusammen mit einem 386SX/40. Per default sind im BIOS 10MHz ISA-Takt eingestellt. Dieses Board bringt mit einer ET4000 Grafikkarte 14.2 frames/s im 3DBench und landet damit zwischen 386DX/33 und DX/40. Das ist das schnellste 386SX-Board, dass ich kenne, und mir sind schon etliche zwischen "die Finger" gekommen.
Also solche Systeme würde ich wirklich gerne mal in Action erleben. Vielleicht hast Du irgendwann Zeit, die Systeme ein bisschen in der Galerie vorzustellen. Ich selber habe bisher leider nur den 386sx16 (und ein bisschen den 386sx25) erleben dürfen.