Schon wieder eine Buch-Rezension... "Das große AT-Buch" aus dem Data Becker Verlag, 3. Aufl. 1989:

- Das große AT-Buch, J. Schieb, 1989
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Eigentlich wollte ich ja zukünftig nur noch tiefsinnigeren Content produzieren, und nicht nur einfache Buch-Rezensionen schreiben. Jetzt ist mir aber dieses Buch in die Hand gedrückt worden, mit den Worten, dass der Autor damals als "DOS-Pabst" angepriesen wurde.
Das Buch behandelt die Rechner der AT-Klasse und wendet sich hierbei an .. tja, an welche Zielgruppe eigentlich? Wahrscheinlich an die damaligen "Power-User", die Infos zu dem BIOS-Setup-Einstellungen gesucht haben, Festplatten unter MS-Dos bis 4.0 formatieren oder partitionieren wollten, Grundlagen-Wissen zu Diskette, Festplatte, Grafikadapter etc. lesen und Hardware-Erweiterungen (Maus etc.) installieren wollten. Zugleich enthält das Buch aber eine gute Zahl von GW-BASIC und sogar Assembler-Listings, die ohne Kenntnisse in den Sprachen eigentlich nur zum Blind - Abtippen sind (eine Diskette zum Buch gibt es nicht). Aufgrund dieser Mischung bin ich mir einfach nicht sicher, ob der Autor hier wirklich eine bestimmte Zielgruppe vor Augen hatte, und wenn ja, welche.
Was die Auswahl der Listings anbelangt, spricht die Buchrückseite von Listings mit "Gebrauchswertverbesserung für den AT". So falsch ist das meistens gar nicht. Paradebeispiel ist das Listing zur Einstellung der Typematic-Rate der AT-Tastatur.
Gut gefallen hat mir auch das GW-BASIC-Listing, das den Tastaturpuffer für selbst modifizierenden GW-BASIC-Code missbraucht. Sehr clever gemacht - aber wo ist hier die "Gebrauchswertverbesserung" in der täglichen Nutzung des AT?
Der Sprachstil hat mir auch sehr gut gefallen: kurze, klare strukturierte Sätze und keine Textwände. Sprachlich das beste, was ich bisher bei den Trash-Verlagen Data Becker und Sybex finden konnte.
Aufgeklärt worden bin ich durch das Buch auch erstmals über den Light-Pen. Die CGA hat hierfür zwei extra Register, die MDA und die HGC jedoch nicht. Wie ein solcher Light-Pen funktionert und warum das ganze bei MDA/HGC nicht vorgesehen ist, war mir bisher ein Rätsel. Daher gleich die Leseprobe zur Lösung:
Der Light Pen
...
Mit dem Light Pen können via Bildschirm ohne Tastatur Befehle eingegeben, Linien, Kreise oder Punkte gezeichnet werden etc. ... Technisch gesehen ist der Light Pen lediglich eine hochempfindliche Fotozelle. Durch entsprechende Software kann durch Synchronisation mit dem Kathodenstrahl des Bildschirms erkannt werden, auf welche Position der Light Pen gerade zeigt. Realisiert wird dies durch den Helligkeitsunterschied zwischen einem nachleuchtenden Bildschirmpunkt und dem aktuell durch den Kathodenstrahl gerade aktivierten Punkt. Dieser Helligkeitsunterschied kann sehr wohl unterschieden werden.
Da Monochrom-Monitore in der Regel relativ lange nachleuchten, eigenen sich diese nicht zur Zusammenarbeit mit einem Light Pen. Der Light Pen könnte den Unterschied zwischen Nachleuchten und tatsächlichem Aufleuchten nicht mit hinreichender Genauigkeit unterscheiden. Deswegen wird offiziell die Monochrom-Karte nicht für den Light-Pen-Einsatz unterstützt. ...
Aha - das high-persistence phosphor P39 des IBM 5151 Monochrom-Monitors war also schuld.
Resumée nach kurzem Querlesen: Wider Erwarten relativ gutes Buch. Ich kann mir nur nicht vorstellen, wer damals wirklich etwas mit dem Buch anfangen konnte. Wahrscheinlich nur Informatiker. Für reine "Power-User" ohne Programmierkenntnisse waren die Listings wohl ohne wirklichen Wert. Für Programmierer wiederum waren die Infos wohl viel zu dünn, zumindest wenn sie nicht auf andere Systemliteratur hätten zugreifen können, die dieselben Themen behandelt, wie sie das Buch anreisst.
Aber vielleicht hatte das Buch ja die Ende der 80er eigentlich schon ausgestorbenen PC-User der Anfang der 80er-Jahre im Blickfeld. Die mussten ja immer irgendwie alles können, wie schon der erste IBM PC zeigte. Den gab es auch mit nur 16kb RAM, so dass gar kein DOS geladen werden konnte und man auf die Verwendung des BASIC-Interpreters beschränkt war. Die Vorstellung, für mehrere tausend Dollar/Mark einen IBM-PC zu kaufen und dann immer nur GW-BASIC (oder wie die Variante damals hieß, Basica?) laufen zu lassen, lässt mich jedes Mal erschrecken.